Aus Liebe zur Katze – warum Hirn manchmal besser ist als Herz

kätts Chefkatze Felina spielt gelangweilte Katze
Katze – geliebt, aber gelangweilt (Szene nachgestellt)

Man kann es in unzähligen Katzenratgebern lesen: Entwickelt die Katze ein unerwünschtes aufmerksamkeitsheischendes Verhalten, muss der Dosenöffner seine Katze ignorieren, bis sie damit aufgehört hat. Andernfalls wird sie dieses Verhalten immer und immer wieder einsetzen, um den Dosenöffner zu ihren Gunsten zu manipulieren.

Eine schöne, einfache und tatsächlich wirksame Regel. Daher wird sie auch so gerne bei allen sich bietenden Gelegenheiten zitiert und angewendet. Und mir als Katze klappen dabei regelmäßig die Ohren nach hinten. Denn was diese Regel zuverlässig löst, ist das Problem des Dosenöffners, nicht jedoch das der Katze.

Der Miauen-Ignorieren-Reflex

Ein typischer Fall, wie er so oder ähnlich immer wieder im Universum der Katzenforen auftaucht: Ein Dosenöffner lebt mit einer Wohnungseinzelkatze zusammen, die er eigenen Angaben zufolge über alles liebt und (hier ergänze ich ein Trotzdem …) während seiner Arbeitszeit tagsüber alleine zuhause lässt.

Das Problem des Dosenöffners: Seine Katze miaut morgens, vom Aufstehen bis er die Wohnung verlässt, so laut und ausdauernd, dass es ihn in den Wahnsinn treibt, obwohl er seine Katze ja, wie er immer wieder betont, heiß und innig liebt.

Da er das Miauen seiner Katze ständig beantwortet, erhält der Dosenöffner – wie sollte es anders sein – den Rat, das Miauen seiner Katze in Zukunft konsequent zu ignorieren, dann würde sie früher oder später damit aufhören. Da dieser Rat so wunderbar praktisch und anwenderfreundlich ist, wird er sofort begeistert in die Tat umgesetzt.

Und siehe da, es funktioniert, die Katze hört tatsächlich mit dem Miauen auf, seit sie damit keine Reaktion mehr bei ihrem Menschen auslöst. Logisch, wir Katzen sind schließlich nicht blöd und verpulvern unnütz unsere Energie. Das Problem ist damit für den Dosenöffner gelöst. Gratulation!

Meine miauende Artgenossin, die nicht nur tagsüber, sondern – naturbedingt – auch nachts in einer reizarmen Umgebung sich selbst überlassen ist, hat ihr Problem der Langeweile durch das morgendliche Ignoriert-Werden jedoch nicht gelöst. Im Gegenteil, das bisschen Action, das sie sich nach der langen ereignislosen Nacht durch das Miau-und-Antwort-Spiel mit ihrem Dosenöffner verschafft hatte, wurde jetzt auch noch ersatzlos gestrichen – hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass der Dosenöffner seine Katze über alles liebt?

Damit eins klar ist: Wir Katzen miauen euch Menschen nicht an, weil wir Unterhaltungen mit euch intellektuell anregend finden – glaubt mir, würden Mäuse durch eure Wohnungen huschen, würden wir euch keines einzigen Miaus würdigen. Oft ist unser beharrliches Miauen oder ein anderes aufmerksamkeitsheischendes Verhalten ein Zeichen dafür, dass wir uns langweilen und auf der Suche nach interessanten Reizen sind. Denn in einer reizarmen Umgebung wie einer Wohnung seid ihr Menschen mit euren putzigen Reaktionen meist die einzigen halbwegs interessanten Reize, die uns zur Verfügung stehen.

Lösungen für Mensch und Katze

Ich verlange ja gar nicht, dass ihr Dosenöffner bei jedem Miau eurer Katze aufspringt und ihr zu Diensten seid (obwohl dies durchaus eine attraktive Vorstellung ist), denn selbstverständlich würden wir dies hemmungslos ausnutzen.

Was ich mir jedoch wünsche, ist, dass ihr bei euren Lösungsansätzen stets den Einzelfall aus Sicht von Mensch und Katze betrachtet, statt auf aufmerksamkeitsheischendes Verhalten eurer Katze schablonenhaft und eindimensional mit einem „Ignorieren-Reflex“ zu reagieren.

Dazu ein weiteres Beispiel: Wenn eine Katze ihren Dosenöffner Nacht für Nacht weckt, würde selbst ich dem Dosenöffner raten, die Weckversuche seiner Katze konsequent zu ignorieren. Sonst wird sie damit nämlich immer weitermachen und schließlich die Gesundheit ihres Dosenöffners ruinieren. Damit ist letztendlich auch ihr nicht gedient.

Reagiert der Dosenöffner nicht mehr auf die Weckversuche seiner Katze, entfällt für die Katze jedoch das Highlight ihrer ansonsten ereignislosen Nacht. Es ist daher nur gerecht, ihr einen angemessenen Ausgleich anzubieten. Besonders gut eignet sich dafür ein auspowerndes Jagd- und Beutespiel, unmittelbar bevor der Dosenöffner sein Bett aufsucht. So kann die Katze sich vor der langen Nacht noch einmal so richtig verausgaben. Im Übrigen empfehle ich diese Maßnahme für alle Katzen, die in der Wohnung übernachten, nicht nur für diejenigen, die ihre Dosenöffner nachts zu wecken versuchen. Denn die Nacht ist für uns alle lang und langweilig, solange unsere Dosenöffner schlafen.

Außerdem sollten Dosenöffner stets daran denken, ihren Katzen vor dem Ins-Bett-Gehen Spielzeug für das Alleinspiel rauszulegen. Geeignet sind zum Beispiel Tischtennisbälle, Filzbälle oder feste Wattekugeln aus dem Bastelladen (falls Tischtennnisbälle die Nachtruhe stören) sowie Rascheltunnel oder -säcke.

Frisst die Katze Trockenfutter, kann der Dosenöffner das Futter zudem an verschiedenen, wechselnden Orten in der Wohnung verstecken, damit die Katze jede Nacht auf Futtersuche gehen muss.

(Apropos Trockenfutter: ein Schlüsselwort, das bei manchen Dosenöffnern ebenfalls reflexartige Reaktionen auslöst, egal in welchem Kontext es auftaucht. Doch dazu ein anderes Mal.)

Fazit Mensch versus Miauen

Eine in bestimmten Situationen vehement miauende oder auf andere Weise Aufmerksamkeit suchende Katze grundsätzlich zu ignorieren, um ihr das aufmerksamkeitsheischende Verhalten auszutreiben, löst nur das Problem des Dosenöffners, jedoch nicht das seiner Katze.

Der Konflikt – der Dosenöffner will seine Ruhe und die Katze Aufmerksamkeit – lässt sich durch eine individuelle Situationsanalyse und Kooperationsbereitschaft auf Seiten des Dosenöffners meist mit einem für beide Seiten akzeptablen Kompromiss lösen.

Im eingangs beschriebenen Fall ist die Katze – wenn man von einem normalen Schlafbedürfnis ihres Dosenöffners ausgeht – nachts sieben bis acht Stunden auf sich allein gestellt. Fast so lange wie tagsüber, wenn der Dosenöffner bei der Arbeit ist.

Dass eine Katze, die den ganzen Tag in der Wohnung allein ist, abends, wenn ihr Dosenöffner nach Hause kommt, Aufmerksamkeit und Spieleinheiten benötigt, scheint den meisten Dosenöffnern einzuleuchten. Dass die Anwesenheit eines schlafenden Dosenöffners für eine Katze jedoch genauso langweilig ist wie dessen Abwesenheit, scheinen viele Dosenöffner nicht zu begreifen – schließlich ist die Katze ja nicht allein, wenn ihr Mensch, der sie heiß und innig liebt, im Reich der Träume wandelt.

Sorry, wenn ich euch da desillusionieren muss, liebe Menschen: Die meisten von uns Katzen mögen ihre Dosenöffner, viele von uns sogar sehr, aber eure bloße körperliche Anwesenheit, Zuneigung und Liebesbeteuerungen reichen uns nicht, um glücklich zu sein. Vor allem nicht, wenn wir ausschließlich in der Wohnung leben. Was für uns zählt, sind eure Taten, nicht eure Worte und auch nicht eure Gedanken. Wenn ihr uns also so liebt, wie ihr sagt, und wollt, dass wir glücklich sind, müsst ihr uns mindestens morgens und abends ein katzengerechtes Spiel- und Beschäftigungsprogramm bieten. Siehe auch: Was Wohnungskatzen wollen: spielen, spielen, spielen!

Der angenehme Nebeneffekt für euch Dosenöffner: eine im Spiel ausgepowerte Katze ist fast immer auch eine ruhige Katze!

Miau!